Kolumbien wird schnell mit der Drogenszene assoziiert, doch der kolumbianische Austauschschüler Sergio erlaubt einen Blick auf eine andere Seite seines Heimatlandes. Im Interview geht er auch auf seine Erfahrungen in der Schweiz und die Unterschiede zwischen der Schweiz und Kolumbien ein.

Sergio ist 17 Jahre alt und kommt aus Zipaquira. Dort geht er in die Oberstufe des Gymnasiums. Er ist für ein Jahr am RG, hier vermisst er vor allem seine Freunde und seine Familie, doch Zürich gefällt ihm sehr.
Auf die Frage, was Sergio sich an der Schweiz anders vorgestellt habe, bevor er hierher kam, antwortet er: ,,Vor allem die Menschen. Ich hatte sie mir extrovertierter, vielleicht sogar unternehmungslustiger vorgestellt. In Kolumbien kommen mir meine Mitmenschen offener vor. Ausserdem feiern wir kleine und grössere Erfolge wie eine gute Note, einen neuen Job oder ein neues Haus viel mehr. In der Schweiz vermitteln mir die Leute einen besorgteren Eindruck, sie fürchten sich mehr um ihre Zukunft und stehen grundsätzlich stärker unter Druck und Stress. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in Kolumbien zufriedener wirken und mehr Gründe finden um zu feiern und sich zu freuen.‘‘
Sergios Schilderungen zeigen, dass in Kolumbien so etwas wie Neid auf gute Noten nicht weit verbreitet zu sein scheint. Stattdessen freuen sich die Mitschüler*innen, wenn jemand für das Lernen belohnt wird.
Sergio äussert sich auch über einige Vorurteile, die er der Schweiz gegenüber vor seiner Ankunft hatte. So dachte er beispielsweise, in der Schweiz hätten wir den besten Käse und die beste Schokolade. Nach über einem halben Jahr in der Schweiz meint er: ,,Die Schweiz hat in einem Supermarkt mehr Käse, als ich je gesehen habe. Ich mag zwar keinen Käse, aber die Schokolade hier ist wirklich die beste.‘‘
Ausserdem dachte er vor seiner Ankunft, die ganze Schweiz wäre wie ein Bergdorf und überall hätte es Schnee, aber das hat sich grossteils als falsch herausgestellt. Heute meint er, natürlich gebe es auf dem Land viele Kühe, man sehe auch die Berge von überall, aber Zürich sei auf jeden Fall eine richtige Stadt mit deutlich mehr Autos als Tieren.
Vor seinem Aufenthalt in Zürich dachte Sergio, dass alle Schweizer*innen reich seien. Heute sagt er dazu: ,,Nicht alle sind reich, aber die meisten leben vergleichsweise wohlhabend. In Kolumbien sieht man öfter Obdachlose in den Strassen und in der Schweiz befinden sich die wenigsten in dieser Lage. In Kolumbien ist das Leben insgesamt aber deutlich günstiger, man kann mittags eine Mahlzeit für 3 Franken kaufen, die aus einer grossen Portion Reis, Kartoffeln und Fleisch besteht.‘‘
Daraufhin geht Sergio noch auf grössere Unterschiede zwischen der Schweiz und Kolumbien ein: ,,Man ist sicherer in der Schweiz. In Kolumbien würden die meisten nicht in der Nacht alleine durch die Strassen gehen. In Kolumbien haben wir keine Züge und Trams, wir haben Busse, aber normalerweise nehme ich nur den Schulbus, und wenn ich in der Nacht unterwegs bin, nehme ich meist einen Uber, da es um einiges sicherer ist. Wie ich schon gehört habe, sind die meisten Schweizer*innen in Besitz eines Taschenmessers, doch ich habe mich noch nie in einer Lage befunden, in der ich eines zur Notwehr gebraucht hätte.‘‘
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