Künstliche Intelligenz fasziniert und beunruhigt – wie fast jede grössere Innovation
Von Jonas Häusler und Luis Raisch
Das Image, welches Science-Fiction Filme über die Künstliche Intelligenz (KI) geschaffen haben, sitzt tief. Sie handeln von Programmen, welche die Weltherrschaft an sich reissen, Robotern, die die menschliche Rasse auslöschen wollen, und vielen weiteren Horrorszenarien. Mit dem Aufkommen von ChatBots wie Chat-GPT scheinen viele zu glauben, solche Fiktionen könnten nun Wirklichkeit werden. Die mit den Neuerungen verbundenen Fortschritte drohen dabei fast schon zu verblassen.
Der Chatbot Chat-GPT von OpenAI liefert auf Suchanfragen derart authentische Antworten in Textform, dass es schwer wird, zwischen menschlichen und computergenerierten Dialogen zu unterscheiden. Dieses Phänomen wurde erstmals von Alan Turing beschrieben, später entstand daraus der Turing-Test. Dieser sollte aufzeigen, ob eine Maschine über ein gleichwertiges Denkvermögen wie ein Mensch verfüge. Konkret führte eine Testperson mit zwei ihr unbekannten Gesprächspartnern eine Konversation: einem Menschen und einer Maschine. Wenn die Differenzierung zwischen den beiden für die Testperson nicht möglich war, galt der Test als bestanden. Laut Peter Müller, Professor für Informatik an der ETH Zürich, ist dieser bestandene Test ein wichtiger Grund für den Erfolg des Chatbots.
Übermächtige Maschinerie?
Sicherlich nicht zuletzt wegen dieser menschenähnlichen Art zu kommunizieren gibt es auch ziemlich scharfe Kritik an diesen Chatbots. Es ist angsteinflössend, dass ein Computer die Fähigkeit erlernt hat, wie ein Mensch zu kommunizieren. Der Chatbot wird oft als übermächtige und kontrollierende Maschinerie dargestellt. Experten beteuern jedoch, dass bahnbrechende Erfindungen wie beispielsweise das World Wide Web vom „Durchschnittsbürger“ immer mit einer skeptischen Grundhaltung behandelt wurden. Als Computer den Durchbruch schafften und für jedermann zugänglich wurden, war der Gegenwind anfangs auch sehr gross. Es brauchte Zeit, bis sich viele der Möglichkeiten bewusst waren, die sich mit Hilfe der Computer ergaben.
Das heisst, dass den Menschen anfangs oft die Vorstellungskraft und Offenheit gegenüber Innovationen fehlt und das Bewusstsein, wozu diese Erfindungen von Nutzen sein könnten. Gerade bei Chat-GPT sind die Möglichkeiten endlos. Alltägliche, zeitkonsumierende Mühen wie das Beantworten von E-Mails könnten schon sehr bald von Chat-GPT übernommen werden. Auch die Fusion mit schon bekannten Technologien wie Sprachsteuerung könnte die Nutzung in Zukunft wesentlich vereinfachen.
„Chat-GPT versteht nichts vom Inhalt des produzierten Textes, sondern verwendet lediglich Statistiken, um nach Wahrscheinlichkeit das nächste Wort zum Text hinzuzufügen“, erklärt Peter Müller. Daher wird der Begriff Künstliche Intelligenz im Zusammenhang mit Chat-GPT oft kritisiert, da es sich im Grunde um reine Mathematik handelt. Auch wenn diese Mathematik teils zu erstaunlich authentischen Resultaten führt. Kurz gesagt, wird jedes einzelne Wort in der gestellten Frage analysiert und im Internet nach Assoziationen gesucht. Um die Antwort zu schreiben, rechnet der Bot immer das nächste wahrscheinlichste Wort aus. Dies macht er so gut, dass der Leser das Gefühl hat, dass der Bot regelrecht sprechen kann.
Das System der Selbstverbesserung von Chat-GPT schürt ebenfalls Ängste. Sämtliche Daten, die von den Usern eingegeben werden, werden genutzt, um Antworten zu generieren und das System zu optimieren. Dabei steht im Kleingeschriebenen der Datenschutzrichtlinien des Herausgebers OpenAI, dass die Sicherheit der Daten nicht garantiert werden kann. Zu den grundlegenden Bedenken in Bezug auf Innovation kommen also noch solche bezüglich Datenschutz.
Kampf der Tech-Giganten
Microsoft hat angekündigt, Chat-GPT in ihre eigenen Suchmaschinen integrieren zu wollen. Die Suchmaschinen Bing und der Edge-Browser erhalten als erstes ihr Chatbot-Update, eine Beta-Version kann man bereits online testen. Für den Tech-Giganten ist dieser Schritt eine grosse Gelegenheit, zurück zu alter Dominanz im Tech-Bereich zu finden, welche sie mit dem verpassten Anschluss an die Smartphone-Ära zu Beginn des 21. Jahrhunderts verspielt haben. Auch sie sehen die Neuerungen, die Chat-GPT mit sich bringt, offenbar als wegweisend: Sie wollen den Konkurrenten Google, welcher im Moment auch an einem Chatbot arbeitet, weiter auf Trab halten, wie die NZZ kürzlich berichtet hat.
Den Durchbruch von Chat-GPT hat OpenAI jedoch nicht nur dem technischen Fortschritt, sondern sicherlich auch der cleveren Vermarktung zu verdanken. Innert fünf Tagen hatten sich eine Million Menschen auf der Plattform angemeldet. Der Chatbot war direkt für jeden auf der ganzen Welt kostenfrei verfügbar, was ihn von Konkurrenzprodukten unterscheidet. Die Kombination von einfacher Zugänglichkeit und dem Gefühl einer technischen Revolution ermöglichte diese unfassbaren Zahlen. Trotz der vielen Bedenken kann man sagen, dass die Faszination diese überwiegt und Chat-GPT zu einem Symbolbild für den technischen Fortschritt macht. Spätestens wenn der Fortschritt für die breite Bevölkerung von Nutzen ist, wird er sich früher oder später durchsetzen. Dann wird die Anziehungskraft die Ängste, ob sie nun begründet sind oder nicht, definitiv überwiegen.
Was ist Chat-GPT?
Im Grunde hat Chat-GPT nur die Interaktion zwischen Mensch und Suchmaschine verändert. Im Gegensatz zu konventionellen Suchmaschinen wie Google, die auf den Link einer Webseite verweisen, ist Chat-GPT eine textbasierte Anwendung. Sie verwendet sogenannte künstliche Intelligenz, um sich mit Menschen in natürlicher Sprache zu unterhalten und so die gesuchten Informationen zu vermitteln. Das Programm verfügt jedoch lediglich über Informationen, die vor dem Jahre 2021 publiziert wurden. Chat-GPT wurde vom US-amerikanischen Unternehmen OpenAI entwickelt, welches auf die Erforschung von künstlicher Intelligenz spezialisiert ist. Die zentralen Geldgeber des Unternehmens sind Elon Musk und das Unternehmen Microsoft.
Chat-GPT ist jedoch nicht das erste Programm seiner Art. Einige Konzerne wie Meta arbeiten bereits seit Jahren an Chatbots, jedoch ohne erheblichen Erfolg. Im August 2022 brachte Meta den Chatbot BlenderBot 3 heraus, welcher schnell viel Kritik erntete, da er rassistische und antisemitische Aussagen tätigte und Falschinformationen verbreitete. Ausserdem bezeichnete BlenderBot 3 den Meta-Gründer Mark Zuckerberg als „gruselig und manipulativ“ und behauptete, dass sein Leben viel einfacher geworden sei, seitdem er Facebook gelöscht habe. Dies unterscheidet die bisher veröffentlichten Bots von dem erfolgreichen Chatbot Chat-GPT 3. Chat-GPT 3 verwendet ein auf AI basiertes System (Moderation API), um Daten und Informationen zu blockieren, welche gegen die Richtlinien von Open-AI verstossen. Trotz allem ist dieses System weit entfernt von Perfektion und es ist möglich, dass weiterhin Falschinformationen und diskriminierende Inhalte verbreitet werden. Das Programm ist aktuell für jeden kostenfrei verfügbar, jedoch ist Chat-GPT oftmals aufgrund von hoher Nachfrage überlastet und deshalb nicht zugänglich. Als Lösung dazu bietet Open-AI ein kostenpflichtige Premium-Abonnement an, welches für 20 Dollar pro Monat erhältlich ist. Das Abonnement verspricht exklusiven Zugriff auf den Chatbot, sogar zu Stosszeiten. Man erhält ausserdem sogenannten „Early-Access“ auf neue Features. Der Chatbot wird jedoch vor allem durch Investoren finanziert. Microsoft gilt als Hauptinvestor von OpenAI und hatte sich mit 10 Milliarden an dem Unternehmen beteiligt.