Am Puls der Zeit – Digitalisierung in der Finanzindustrie

Die technologische Wende hat nun auch die Finanzindustrie erfasst. Immer weiter werden Produkte auf Kunden zugeschnitten. Immer weiter sickern die Werte unserer Gesellschaft in die Finanzwelt ein. Die Schweiz als Pionierin der Digitalisierung ist ganz vorne mit dabei.

Arthur Petrov

Vor rund 40 Jahren hat die Digitalisierung des Finanzwesens mit dem ersten E-Banking begonnen. Seit damals haben sich die technischen Standards stark verändert, doch die Prämisse bleibt die Gleiche: Bei der Digitalisierung im Finanzsystem geht es erstens darum, das Produkt so intuitiv, so einfach wie möglich zu gestalten.

Es geht aber auch darum, das Produkt möglichst zugänglich zu machen. Zum einen zeitlich, so dass man nicht auf die oft kurz bemessenen Öffnungszeiten einer Bankfiliale angewiesen ist, zum anderen ermöglicht die Digitalisierung auch die Demokratisierung von Kapital und Investitionsmöglichkeiten.

Genauso wichtig ist ein personalisiertes Erlebnis.

Mittlerweile überfluten alternative E-Banking- und Finanzapps den Markt. Ihr Versprechen ist eine einfachere Art, mit den Finanzdienstleistern zu interagieren, persönliche Analyse und Tipps. Kurz: Sie versprechen ein verbessertes Erlebnis. “Bahnbrechendes Banking” lautet der Werbespruch von Revolut, einer solchen App. Dabei ist Revolut nicht einmal eine Bank.

Hinter den Kulissen

Blickt man hinter die Kulissen, merkt man, Revolut selbst ist tatsächlich keine Bank, muss es aber auch nicht sein.

Open Banking heisst dieses Model. Dabei sind diese Apps lediglich Softwareprodukte und zuständig dafür, was der Kunde unmittelbar sieht, zuständig für ein personalisiertes Erlebnis. Jede Transaktion, die über diese Software in Auftrag gegeben wird, wird durch API (Application Programming Interface), eine Art Kommunikationsprotokoll, an eine Bank im Hintergrund weitergeleitet. Diese Bank wickelt die Transaktionen konventionell ab und leitet das Resultat weiter an das User Interface, also die App, weiter.

Doch bei Ästhetik, ein paar aufleuchtenden Zahlen und Graphiken hört es nicht auf.

Blockchains – mehr als nur spekulative Fantasiewährungen?

Wahre Infrastruktur wird auf Basis der Blockchain, einem dezentralen Archiv, welches alle Transaktionen und Resultate abspeichert, durch “Tokenization” geschaffen. Tokenization ist ein Prozess, bei dem eine digitale Kopie eines bereits in Papierform existierenden Finanzprodukts erstellt wird. Diese wird anschliessend auf die Blockchain hochgeladen und kann dort gehandelt werden.

So eine digitale Kopie, z.B. eines Wertpapieres, kann auf einer Blockchain basierten Plattform deutlich einfacher gehandelt und übertragen werden, vor allem logistisch. Dabei ist die digitale Kopie rechtlich genauso viel wert, wie eine Papierversion

Auch bietet die Blockchain KMUs eine Plattform, Kapital zu sammeln. In der Schweiz gibt es schätzungsweise 20 bis 30’000 schnellwachsende KMUs, die Finanzierung brauchen, die sich einen Börsengang, der mit mehreren Millionen Franken finanziellen Aufwands verbunden ist, aber sich diesen schlicht nicht leisten können. Doch nicht nur können KMUs sich jetzt finanzieren, auch wir Bürger haben eine Möglichkeit, in diese vielversprechende Unternehmen zu investieren und in den Privatkapitalmarkt einzusteigen, der bis gestern grossen Konglomeraten vorenthalten war.

«Wir demokratisieren den Zugang zu Kapitalmärkten für nicht börsenkotierte Unternehmen und im Umkehrschuss demokratisieren wir dadurch auch den Zugang zu Investitionen in die Privatkapitalmärkte für klassische Investoren, wie dich und mich», meint dazu Sebastien Dessimoz, Co-Founder von Taurus, einem globalen Vorreiter in diesem Bereich.

Die Blockchain-Technologie eignet sich besonders gut dafür, diesen Marktplatz bereitzustellen aufgrund ihrer angeborenen Funktion, Transaktionen aufzuzeichnen. Hilfreich ist diese Funktion, da man nun zum Beispiel den Marktwert einer bestimmten Aktie ermitteln kann. Es steht einem eine noch nie dagewesene Informationslage zur Verfügung. Diese Informationslage bietet Referenzwerte und Daten beim Handeln und ist integral für einen effizienten Markt.

Die Blockchain hat auch Smart-Contracts zu bieten. Sie automatisieren Transaktionsprozesse und dienen dabei der Sicherheit. Erst wenn alle angegeben Bedingungen erfüllt sind, wird der Kontrakt ausgelöst, die Transaktion autorisiert. Man beschleunigt hier die Transaktion durch das Ausschalten der meisten Mittelsmänner. Diese müssen als Kontrollinstanz bei einer traditionellen Transaktion dabei sein. Die Automatisierung eines repetitiven Prozesses steigert die Effizienz und beschleunigt diesen um mehrere Tage.

Der Blick nach vorne

Obwohl der Prozess der Digitalisierung im Finanzbereich schon über 40 Jahre lang fortläuft, sind wir noch nicht am Ende angekommen.

Die Mühlen unseres Rechtsapparats mahlen langsam. Obwohl die Schweiz ein Pioneer in der Digitalisierung ist, reicht es selbst hierzulande noch nicht für eine komplette Digitalisierung. Einige rechtliche Stolpersteine liegen noch auf dem Weg dahin. Dabei geht es vor allem um gewisse Unterschriften, die noch nicht digital eingeholt werden können. Auch eine Rolle spielt die Geldwäsche.

“Die Grenzen sind nicht geografischer oder technologischer Natur, sondern werden von Ressourcen, Talents, Compliance und Governance gesetzt”, bestätigt Manuela Spillman, die Chefin von HBL-Solutions, der Vorreiterbank in Sachen digitaler Infrastruktur.